Das Ende der Welt ist ein ziemlich altmodischer und abgedroschener Ausdruck. Mit ihm bezeichnet man zahlreiche Orte überall auf unserem Planeten, wo Land und Meer aufeinandertreffen oder wo sich sehr abgelegene menschliche Siedlungen befinden.
In der Tat ist das Schöne an unserem Planeten, dass er rund ist, und eben kein Ende hat! Dennoch verspüre ich nichts als Ehrfurcht und habe dieses Reise-ans-Ende-der-Welt-Gefühl, als ich auf dem Flug von Upernavik nach Qaanaaq aus dem Fenster des Air Greenland Flugzeugs hinausblicke. Eineinhalb Stunden reinste Flugpoesie.
Eineinhalb Stunden reinste Flugpoesie.
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Auf meinem Flug entlang der Westküste zu einigen der nördlichsten Siedlungen der Welt lerne ich die Bedeutung der Geographie und das große Wunder der Existenz wirklich zu schätzen. Gletscher graben sich ihren Weg durch die schmale Bergkette zwischen dem Eisschild und dem Ozean. Zerklüftete Berge, tiefe Fjorde, gigantische Eisberge…
All das erstreckt sich endlos vor meinen Augen. Trotz des lauten Dröhnens der Flugzeugmotoren ist die Stille der Landschaft beinahe greifbar und sie erfüllt mich, beruhigt meine Seele.
Während ich für eineinhalb Stunden über eine Landschaft fliege, deren Erhabenheit alles übertrifft, was ich bisher gesehen habe, wird mir noch etwas anderes bewusst: die völlige Abwesenheit menschlicher Siedlungen.
Mit jeder Meile gen Norden versperrt mehr und mehr Eis den Ozean und es scheint immer offensichtlicher, dass in der Welt unter mir keinerlei Leben existiert. Und nichtsdestotrotz ist diese kalte, stille Zuflucht voller Leben. Nicht nur Wale, Robben, Walrosse und Eisbären leben dort, sondern auch Menschen. Je nördlicher wir kommen und je eisiger alles scheint, desto schwerer wird es zu glauben, dass es dort Menschen gibt.
Aber es gibt Menschen und sie leben hier bereits seit Urzeiten. Die Bewohner des Endes der Welt. Egal wie abgedroschen dieser Ausdruck vielleicht klingen mag, es ist das einzige, was mir in den Sinn kommt, als wir in Qaanaaq mitten zwischen farbenfrohen Häusern und ihren starken, zähen Bewohnern landen.
Wenn es einen Ort gibt, der als „Ende der Welt“ bezeichnet werden sollte, dann dieser. Tausend Kilometer entfernt von anderen Siedlungen, im hohen Norden unseres Planeten, umgeben und erfüllt von der Schönheit und dem Reichtum der Natur.
Der Grund für mich, hierher zu kommen, war nicht nur der Wunsch, die atemberaubende Natur zu erleben, sondern auch die Menschen zu treffen, die im Einklang mit ihr dort leben. Thule ist einer der letzten Orte in der Arktis, wo die Menschen noch traditionelle Mittel und Verfahren anwenden, die andernorts bereits der Vergangenheit angehören.
Der Hundeschlitten ist immer noch das Haupttransportmittel. Die Menschen leben noch von der Jagd. Sie sind einige der letzten Menschen auf der Welt, die vom Kajak aus Jagd auf Narwale betreiben.
Ich begleite einen von ihnen, Naimanngitsoq Christiansen, auf einem mehrtägigen Ausflug an den Rand des Eises. Wir besteigen den Hundeschlitten und machen uns auf in die Wildnis. Geschickt lenkt er sein Hundegespann zwischen riesigen, vom Meereis eingeschlossenen Eisbergen hindurch.
Auf dem Weg an den Rand des Eises treffen wir auf Ringelrobben und Bartrobben und entdecken sogar ein paar Eisbärenspuren. Die Stille ist überwältigend. Sie ist beinahe greifbar. Sie erfüllt meine Gedanken und mein Herz, während wir sanft an den Rand des Eises gleiten.