„Geh zu dem Ort, an dem Du glücklich bist.“
Das hört man oft, und für mich beschwört es normalerweise das Bild eines Sandstrands herauf, wie im Standard-Screensaver, der auf dem Computer voreingestellt ist, den man gerade gekauft hat. Natürlich ist das toll und das gilt sicher auch für die Screensaver einer Unmenge anderer Leute. Aber sie sind nicht personalisiert, sprechen nicht alle Sinne an und strotzen nicht vor Gefühlen.
Ich hatte gedacht, ich müsste nur meine Augen schließen und mir ein schönes Panorama vorstellen, um zu dem Ort zu gelangen, an dem ich glücklich bin. Ich hätte nicht falscher liegen können. Grönland hat das für mich auf die bestmögliche Weise verändert.
Lassen Sie mich hier ein wenig zurückblenden.
Wenn Sie im Sommer nach Nuuk reisen, müssen Sie unbedingt in einer traditionellen Hütte übernachten. Da ich aus den Vereinigten Staaten stamme, war der Aufenthalt in einer Sommerhütte gleichbedeutend mit Lagerleben. Vielleicht an einem See oder unter Bäumen, mitten im Nirgendwo, oder vielleicht sogar ein Strandhaus während eines langen Wochenendes? All das habe ich schon einmal erleben dürfen. Ich bin im Grunde ein Mädchen vom Land, mit dem Leben in einer Hütte in Grönland würde ich klarkommen können … oder?
Meine Augen tränten stark. Teils wegen des peitschenden, kalten Windes. Teils, weil ich mich weigerte, zu blinzeln. Ich war auf dem Boot von Jackie vom Vandrehuset auf dem Weg zum inneren Winkel eines Fjords und ich würde auf gar keinen Fall auch nur eine Millisekunde Aussicht auf die unglaublich majestätischen Berge verpassen, die aus dem Meer um uns herum aufragten. Alle Achtung. Als ob das nicht genug wäre, hatte Jackie uns auch noch großartiges Wetter bestellt.
Wir waren mit Jackie gleich per Du, weil er einfach der Typ dafür ist. Er und sein zwölfjähriger Sohn Lucas, der ein echter Gentleman ist, waren an diesem Tag unsere Gastgeber in ihrer Sommerhütte am nahegelegenen Fjord, Eqaluit Paarliit (was auf Grönländisch „die Forellen an der Mündung des Fjords“ bedeutet). Wir kamen an den Rand der Küstenlinie, wo sich uns eine Szenerie wie auf einer grönländischen Postkarte bot. Oh, und es rauchte. Aber kein Grund zur Besorgnis, es waren nur zwei Frauen mit ihrem Hund, die Forellen räucherten, während die Wellen ans Ufer plätscherten. Authentischer geht es einfach nicht.
Dort fanden wir eine großzügige Veranda und einen Whirlpool vor, den zu besuchen ich mir für den weiteren Tagesverlauf vornahm. Aber zuerst führte uns Lucas auf eine kurze Wanderung, um ein paar Fische zu fangen. Wir gingen den Fluss entlang, während die Natur ein Symphoniekonzert veranstaltete und er uns zeigte, wo sie auf Rentierjagd gehen. Wir marschierten weiter, aber meine Gedanken waren jetzt bei den Rentieren.
Als wir im Fjord fischten, war die Umgebung so idyllisch, dass man fast die Moskitos vergaß… aber nur fast. Trotzdem war es für mich ein fairer Tausch. Auf unserem Weg zurück zum Mittagessen unterhielt uns Lucas mit einer Gespenstergeschichte, die vor kurzem in einer Hütte verfilmt worden war, die er uns oben auf dem Berg zeigte. Er gab zu, dass er Angst hat, in die Nähe der Hütte zu gehen, seit er den Film gesehen hat.
“HAHA!” Ich lachte nervös. Wenn ich ganz ehrlich war, würden auch mich keine zehn Pferde dorthin bringen können. Mein Magen rumorte zustimmend.
Der Duft eines leckeren Essens führte uns zu der Hütte zurück, wo wir uns wie eine bunt zusammengewürfelte Wahlfamilie trafen. Frischer Fisch mit Gemüse wurde mit Wein und einer ordentlichen Portion leckerer Soße serviert, die meiner Ansicht nach nur durch Zauberei entstanden sein konnte. Der Whirlpool rundete anschließend das Hüttenerlebnis ab. In diesem Moment als ich in einem Jacuzzi auf der Veranda einer bildhübschen Hütte mit Blick über den Fjord lag, wurde mir klar, dass ich mich absolut und vollständig entspannt hatte. Es war wie ein sommerlicher Tagtraum mit Hausmannskost, angenehmer Gesellschaft und dem unkompliziertesten Luxus, den man sich vorstellen kann.
Ich hatte Geschmack am Hüttenleben gefunden und wollte mehr davon. Glücklicherweise stand der zweite Teil noch bevor.
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Wir legten mit Kapitän Erik (der tatsächlich die sieben Meere befahren hat) auf seinem ABC Charter-Boot ab, das auch königlichen Ansprüchen gerecht werden würde. Als wir Kurs auf Qooqqut Nuan nahmen, machte ich mich über die Keksschale auf dem Vorderdeck her. Wenn man sich noch nicht in Nuuk verliebt hat, dann wird man es hier tun. Kenntnisse und Liebe unseres Kapitäns für diese Landschaft wurden offensichtlich, als er Abenteuer und atemberaubende Momente in eine Zeitspanne von nur wenigen Stunden packte.
Dinge wie eine Kanne voll frischem Wasser aus einem brausenden Wasserfall an einem Berghang zu holen. Dinge wie Tiefseefischen. Dinge wie einen Fisch mit 4 Glubschaugen an der Angelschnur aus dem tiefen, tiefen Meer zu ziehen. Das stimmt tatsächlich, ich habe einen vieräugigen Fisch gefangen und es war ein echter Kampf. Ich habe mit der Faust in die Luft geboxt, denn wir werden heute am Abend genügend zu essen haben!
Wir kamen in Qooqqut Nuan an, einem besonderen Ort, der in einem Winkel der Berge versteckt liegt und anscheinend das Ende der Welt darstellt. Wir waren ganz, ganz weit draußen. Ich wartete darauf, dass ein Einhorn vorbeikäme, vorzugsweise auf einem Regenbogen. Der Eigentümer Mads und seine Crew begrüßten uns in unserer Unterkunft für die nächsten beiden Nächte. Die Hütten waren einfach und liebenswert, mit Ausblick auf eine unwahrscheinlich schöne Natur.
Unser Fang des Tages wurde im Restaurant von genialen Köchen auf ungefähr 23894723 verschiedene Arten zubereitet. Es war so gut, dass ich bis zum Platzen gegessen habe; ein echtes Vom-Hof-auf-den-Tisch-Erlebnis. Zu meinem Abendprogramm gehörte dann das Schaukeln in einer Schaukel vor dem Hintergrund der endlosen Mitternachtssonne. Ich könnte mich an dieses Hüttenleben gewöhnen.
Am nächsten Tag wurde ich schon ganz kribbelig, weil ich im buchstäblichen Sinne ein paar Fische in die Finger bekommen wollte. Wir brachen mit lokalen Guides und Freunden des Eigentümers auf, um Handfischen zu gehen. Ich war äußerst aufgeregt, wenn ich an die bevorstehende Herausforderung dachte. Ich weiß, dass ich gesagt hatte, dass ich zu allem bereit und im Herzen ein Mädchen vom Land bin, aber ich wusste nicht, dass ich nun von Stein zu Stein über einen eiskalten Fluss springen und meine Finger blind in die Kiemen eines schleimigen Fisches schieben sollte, während ich dekorativ über zwei Felsen grätschte. Aber Mann, ich bin froh, dass ich es getan habe. Ich sollte allerdings darauf hinweisen, dass ich tatsächlich wie ein Mädchen gekreischt habe.
Wir gingen, wir staunten, wir aßen und dann aßen wir noch etwas mehr. Wir sogen Tipptopp-Sonnenuntergänge in uns auf und genossen das Hüttenleben in vollen Zügen.
Oh, und die Mittagspause? Das war ein Eisbergpicknick auf der Rückreise nach Nuuk. Ein Eisberg nach dem anderen schwamm an uns vorbei, während wir schweigend unsere Sandwiches aßen und nur das Krachen des Eises zu hören war.
Sommerleben ist Hüttenleben und Hüttenleben ist Leben pur. Es ist ein Entspanntsein der Art: „Ich-habe-gerade-einen-Polarsprung-in-ein-arktisches-Gewässer-gemacht-und-mit-einem-Fisch-in-einem-eisigen-Fluss-gekämpft-und-mein-eigenes-Essen-gefangen-und-zugesehen-wie-die-Sonne-die-Spitze-endloser-Berge-erleuchtet-hat“.
Es zwingt einen zurück zum Einfachen und in der Einfachheit liegt die Schönheit: unberührte Schönheit, die pure Freude ausstrahlt. Es ist nicht glamourös, es ist nicht perfekt; es ist authentisch, unzivilisiert und vorbehaltlos wild.
Bei Orten, an denen man glücklich ist, geht es nicht nur um einen Augenschmaus, sondern um das Gefühl, das einem dieser Ort vermittelt. Es geht darum, alle Details wieder heraufzubeschwören, die einen in diese Momente zurückversetzen.
Zu dem Ort, an dem ich glücklich bin, gehören jetzt auch tränende Augen. Dazu gehört auch ein gigantisches Moskitonetz als mein wichtigstes Gepäckstück. Es ist das Gefühl der Wildnis. Es ist das Eintauchen in arktische Gewässer und das Eis zu essen, das von einem echten Eisberg geschlagen wurde, den man aus dem Ozean gefischt hat. Es bedeutet, völlig verdreckt zu sein. Es fühlt sich wie die gute Art von Erschöpfung an. Es bedeutet, ein fangfrisches Essen mit neuen Freunden zu teilen. Es ist der Wind in meinen Haaren, wenn ich am Ende der Welt schaukle. Es ist, dem Mond dabei zuzuschauen, wie er sein Kinn auf den Bergen ablegt. Es fühlt sich sehr nach Leben an. Der arktische Sommer war zu dem Ort geworden, an dem ich glücklich bin.
Grönländer verstehen nun einmal etwas von Orten, an denen man glücklich ist.