Eine Wandertour in der nordostgrönländischen Wildnis in Jamesonland bietet unglaubliche Berglandschaften und Naherlebnisse mit den gigantischen Moschusochsen, die sich an der grünen Vegetation bedienen. Jamesonland ist eine unberührte arktische Einöde, weshalb man beim Wandern Vorkehrungen für die eigene Sicherheit treffen sollte.
Nach meinem Aufenthalt in Ittoqqortoormiit hatte ich noch eine 3-tägige Wandertour ganz alleine in Jamesonland geplant. Dies ist ein gigantisches Gebiet, das etwa der Größe der Insel Fünen entspricht. Es zeichnet sich durch seine weiche Topografie mit flachen Sandsteinbergen und langgestreckten Tälern ohne Gletscher aus. Die Gegend ist auch für ihren großen Bestand an Moschusochsen bekannt.
Ich habe meine Tour vom Flugplatz in Nerlerit Inaat und dann oben entlang am Gänsefluss (dän. Gåseelven) geplant und möchte soweit wandern, bis die Zeit es einfordert, um auf der gleichen Strecke zurückzuwandern. Ich habe einen Anschlussflug nach Island, den ich gerne erreichen will.
Tag 1
Am 6. Juli 2020 nehme ich den Helikopter von Ittoqqortoormiit bis zum Flugplatz Nerlerit Inaat. Im kleinen Helikopter für 5 Personen lande ich auf dem Vordersitz und habe eine fantastische Aussicht über die Landschaft. Bei meiner Flugangst ist das schon eine Herausforderung, wenn man in so einem kleinen Metallding sitzt und hoch über der Erde baumelt. Die Aussicht hat aber über die Flugangst triumphiert.
In Nerlerit Inaat gut gelandet, starte ich sofort meine Wanderung. Ich habe Zelt, Schlafsack und all meine Ausrüstung mitgebracht, inklusive einer Waffe, die ich bei Nanu Travel in Ittoqqortoormiit ausgeliehen habe. Die Schusswaffe ist für den seltenen Zufall wichtig, wenn ein Moschusochse zu zutraulich wird oder ein Eisbär vorbeistreifen sollte.
Bereits am Flugplatz habe ich den ersten Moschusochsen gesichtet, der ein paar Kilometer entfernt herumspaziert und grast. Ich bewege mich in seine Richtung und mache ein paar gute Fotos. Es handelt sich um einen allein umherstreifenden Bullen, dessen Blick mir sehr aufmerksam folgt, weshalb ich viel Abstand halte.
Ich gehe ein paar Kilometer weiter gen Norden, bis ich die Talsohle erreiche, wo der Gänsefluss verläuft. Eine Propellermaschine aus Island setzt zur Landung an, bevor ich um die „Ecke” eines Bergkamms biege. Jetzt bin ich völlig außer Reichweite der Zivilisation – mein Handy funktioniert nicht mehr und Menschen begegne ich erst wieder, als ich zurück nach Nerlerit Inaat komme.
Wie bereits beschrieben, habe ich mir vorgestellt, von dort aus dem Gänsefluss ein gutes Stück weit zu folgen. Das Tal verläuft recht tief in ostwestlicher Richtung mit 400-500 Meter hohen Bergen auf beiden Seiten. Nach ca. 10 Kilometern Wanderung auf relativ leichtem Terrain, mit Ausnahme von etwas hartnäckigem Gestrüpp und ab und an sumpfigem Untergrund, erreiche ich eine flache Stelle dicht am Fluss (und damit Trinkwasser), die perfekt aussieht, um dort mein Zelt aufzustellen. Es ist auch schon spät am Abend geworden und obwohl die Mitternachtssonne scheint, bin ich bereit für eine gute Nachtruhe.
Ich genieße die tief stehende Abendsonne und die Stille, ausschließlich von den plätschernden Geräuschen des Flusses durchbrochen. Ein Polarfuchs lungert in der Nähe herum und ich sehe, dass er eine kleine Gans im Maul hat. Frisch gefangen! Sowohl Weißwangengans als auch Kurzschnabelgans brüten in großer Zahl hier in diesem Gebiet, das für beide Arten international von besonderer Bedeutung ist.
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