Leitfaden zum klimawandel in grönland
Dieser Leitfaden zum Klimawandel in Grönland liefert Ihnen grundlegende Informationen dazu, wie Grönland heute mit dem Klimawandel umgeht und wo dieser das Land in der Zukunft hinführen könnte.
Ein Großteil der Gesellschaft ist heutzutage mit dem Begriff ,Klimawandel’ vertraut und erkennt diesen als eine Realität unserer Gegenwart an. Für viele von uns ist es ein Thema, das wir aus den Nachrichten kennen, wenn Umweltbedingungen in fernen Weltteilen neue Rekorde brechen: „der wärmste“, „die feuchteste“, „das trockenste“. An einigen Orten auf diesem Planeten aber ist der Klimawandel im alltäglichen Leben spürbar. Zu diesen Orten zählt Grönland.
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Informationen weiterscrollen…
„Klimawandel erklärt” – Video von: The Daily Conversation
Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt und erlebt einige der heftigsten Effekte des Klimawandels, wobei Südwestgrönland die schnellste Erwärmung beobachtet (ungefähr 3°C während der letzten 7 Jahre). Im Juli 2013 wurden am Flughafen von Maniitsoq, in Westgrönland direkt unterhalb des Polarkreises gelegen, 25,9°C gemessen. Dies ist die höchste jemals in Grönland verzeichnete Temperatur.
Der Klimawandel wird in der Arktis im Besonderen anhand der Ausdehnung des Meereises sichtbar. Meereis ist gefrorenes Wasser aus dem Ozean. Es formt sich, wächst und schmilzt im Meer. Wissenschaftler beobachten die Ausdehnung des Meereises, sein Formen und Schmelzen, um darüber Auskünfte über die Klimabedingungen zu erhalten.
Werfen Sie einen Blick auf unterschiedliche Gletscher aus unterschiedlichen Teilen der Welt und wie sich diese zurückziehen hier.
Quelle: nsidc.org
Wissenschaftler von NSIDC stellen Neuigkeiten und Analysen zum arktischen Meereis zur Verfügung und werden dafür von der NASA unterstützt.
„NASA: Arktisches Meereis 1979-2012” – Video von: Extreme Ice Survey
Wo genau also lässt sich Grönland im globalen Prozess des Klimawandels verorten?
Grönland ist ein wichtiges Teilstück im globalen Klimasystem. Hauptgrund dafür ist die riesige Eisdecke, die 80% der Insel bedeckt. Dies ist der zweitgrößte von nur zwei großen Eisschilden auf der Welt – der größte befindet sich in der Antarktis. Grönlands Inlandeis ist über 100.000 Jahre alt und bis zu zwei Meilen (ca. 3,2 km) dick, womit es ungefähr 8 % des Süßwasservorrates der Erde umfasst. Es fasst genug Eis, um den Meeresspiegel um über 7 Meter anzuheben, wenn es vollständig schmelzen sollte.
„Das grönländische Inlandeis verändert sich“– Video von: SpaceRip
Das Inlandeis trägt dazu bei, die Erdtemperaturen zu mäßigen, da es Sonnenenergie zurück in den Weltraum strahlt – dies ist als der „Albedo-Effekt” bekannt. Und aufgrund seiner Positionierung im Nordatlantik schwächt sein Schmelzwasser die Ozeanzirkulation ab.
Aktuell steigen die arktischen Temperaturen jedoch doppelt so stark wie die globalen Durchschnittswerte. Deshalb wird der grönländische Eisschild für Diskussionen zum Klimawandel entscheidend. Wenn das grönländische Inlandeis schmilzt, steigt weltweit der Meeresspiegel an. Der Anstieg des Meeresspiegels könnte sich zu einer globalen Katastrophe entwickeln, da fast ein Drittel der Weltbevölkerung in oder in der Nähe einer Küstenregion lebt.
Die ,Schmelzphasen’ des Inlandeises werden immer heftiger. 2012 schmolzen 97% der Inlandeisoberfläche zu einem bestimmten Zeitpunkt des Jahres. Zwischen 2002 und 2016 verlor der Eisschild etwa 269 Gigatonnen an Masse pro Jahr. Das sind 269 Milliarden Tonnen pro Jahr.
Der Bewegung der Gletscher zu folgen, ist einer der greifbarsten Wege, um den Klimawandel in Aktion zu erleben – und der Ilulissat-Gletscher in Westgrönland wird allgemein als der sich am schnellsten bewegende Gletscher der Welt angesehen. Er ist Grönlands größter Einzelbeitrag zum globalen Anstieg des Meeresspiegels. Der Eisberg, der die Titanic zum Sinken brachte, nahm höchstwahrscheinlich hier seinen Ursprung.
„Gletscher über die Zeit hinweg” – Video von: Nature Video
Im Mai 2008 filmte Extreme Ice Survey beim Ilulissat-Gletscher das größte Gletscherkalben, das jemals auf Film aufgenommen wurde. Das Gletscherkalben dauerte 75 Minuten und der Gletscher zog sich eine ganze Meile durch eine drei Meilen breite Abbruchwand zurück.
„CHASING ICE” erfasst das größte Gletscherkalben, das jemals gefilmt wurde – Video von: Exposure Labs
Das Inlandeis verliert aber nicht nur durch die Gletscher an Masse. Eine Anfang 2019 veröffentlichte Studie fand heraus, dass die größten Eisverluste zwischen 2003 und 2013 in Südwestgrönland nachzuweisen sind, eine Region, die zum größten Teil gletscherfrei ist. Dieses Ergebnis legt nahe, dass das Eis an der Oberfläche schmilzt und in Bächen direkt in den Ozean rinnt – ohne vorher Gletscher zu bilden.
In Grönland kann man dem Gletscherkalben mit eigenen Augen zuschauen. Folgen Sie dem unteren Link, um sich über die besten Möglichkeiten zu informieren, wie Sie diesen großartigen Prozess selbst erleben können.
Glacier Lodge Eqi
Stellen Sie sich vor, wie Sie auf Felsen hoch über dem Ozean stehen. Die Sonne scheint warm auf Ihr Gesicht, der Wind spielt mit Ihren Haaren und plötzlich wird die Luft durch einen gigantischen Knall durchbrochen, der sich wie ein Donnerschlag in nächster Nähe anhört.
Tagestour zum Eqi
Nur wenige Orte in Grönland sind so schön wie der Gletscher Eqi, der im Fjord 80 km nördlich von Ilulissat endet. Per Boot ist es möglich, sehr nah an den Gletscher zu gelangen und zu erleben, wie große Eisstücke abbrechen.
Flightseeing in Ilulissat
Bei einer Flightseeing-Tour mit Air Greenland begeben Sie sich in den Himmel, wo Sie über die urtümlichen arktischen Fjorde schweben oder sogar auf dem Sermeq Kujalleq, dem Ilulissat-Gletscher, landen.
Der Ilulissat-Eisfjord ist ein UNESCO-Weltnaturerbe, welches von der Stadt Ilulissat aus einfach zu erreichen ist. Er ist zu weit von der Gletscherwand entfernt, um dem Kalben zuschauen zu können. Trotzdem kann man leicht mehrere Stunden am Eisfjord verbringen und sich von den unterschiedlichen Formen und Größen der vorbeitreibenden Eisberge anziehen lassen, die von dort in den Ozean ziehen.
„EISFJORD | Grönland” – Video von: Benjamin Hardman
„Ilulissat-Eisfjord: UNESCO-Weltnaturerbe” – Video von: Visit Greenland
„Ilulissat-Eisfjord – GRÖNLAND | Aufnahmen mit einer 4K-Drohne”
– Video von: Rasmus Hagen-Pedersen
Wandern beim Ilulissat-Eisfjord
Eisberge gehören zu den Big Arctic Five, die Sie in Grönland erleben können. Aus der Luft, vom Wasser oder Land aus können Sie tausende Eisberge beim Ilulissat-Eisfjord entdecken.
Ein Kajakabend in Ilulissat
Steigen Sie ins Kajak und werden Sie Augenzeuge von der überwältigenden Schönheit der Eisberge, die vom Ilulissat-Eisfjord kommen.
Tauchen im Ilulissat-Eisfjord
Stefan Andrews erzählt, wie Freediver Kiki Bosch dem Eis in ihrem Badeanzug trotzt. Lesen Sie unseren Artikel über das Tauchen in Ilulissat.
Der Klimawandel ist ein hochkompliziertes Phänomen, das sich immer stärker auf alle Aspekte unseres Zusammenlebens und die Natur um uns herum auswirkt. In Grönland findet eine große Debatte um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wildtiere statt, die in Grönland beheimatet sind.
Grönland mag als dünn besiedeltes Land gelten, die Tierwelt hier ist aber sehr groß und vielfältig. Erfahren Sie mehr darüber, welche Spezies vom grönländischen Klima abhängig sind und wessen Überleben an dieses Klima gekoppelt ist.
Eisbären gehören zu den am meisten diskutierten Tieren, wenn es um den Klimawandel geht. Im Gegensatz zu anderen Bären verbringen sie einen Großteil ihrer Zeit im Wasser und nutzen das Meereis, um ihre Nahrung zu jagen. Meereis bietet den Eisbären eine Plattform in den tiefen Gewässern, um von dort aus Robben jagen zu können.
„Hungriger Eisbär attackiert Robbe” – Video von: BBC Earth
Es wird intensiv darüber diskutiert, inwiefern Eisbären vom Klimawandel bedroht sind.
Da die Ausdehnung des Meereises durch den Klimawandel zurückgeht, müssen die Bären ihre Gewohnheiten bei der Nahrungssuche anpassen. Wenn weniger Meereis für die Robbenjagd vorhanden ist, haben Eisbären weniger Möglichkeiten Nahrung zu finden. Deshalb wird befürchtet, dass die hungernden Eisbären sich bei der Nahrungssuche stärker an die besiedelten Gebiete heranwagen könnten. Wenn ein Eisbär sich einer Besiedlung soweit nähert, dass er für die Bewohner eine Gefahr darstellt, wird er zum Zwecke des Selbstschutzes erschossen.
Besonders in Grönland hat man beobachtet, dass die Bären auf der Suche nach fruchtbareren Jagdgründen weiter Richtung Norden ziehen. Von dort wird berichtet, dass die meisten Eisbären weiterhin gesund aussehen. Manche Beobachter argumentieren sogar, dass hoch im Norden der Klimawandel positive Auswirkungen auf die Eisbären hätte, da das früher stabile Meereis nun abbricht und ihnen weitere Nahrungsquellen ermöglichen würde.
Weiter südlich in Grönland gibt es Berichte darüber, dass die Eisbären dünner sind und häufiger in der Nähe von Siedlungen gesichtet werden, wo sie Nahrung suchen. Einige Jäger können ihr Fleisch nicht mehr wie früher üblich in Zwischenspeichern auf dem Eis verwahren, da es nun von hungrigen Eisbären gestohlen werden könnte.
Die genaue Zahl der Eisbären in Grönland zu bestimmen, ist sehr schwierig, Berichte widersprechen sich, indem sie die Population der Eisbären in der arktischen Region als steigend oder abnehmend bezeichnen. Auf der Website des WWF werden Daten zur Populationsentwicklung veröffentlicht. Dieser Bericht der grönländischen Regierung geht detaillierter auf die Eisbärenpopulation und ihre Verbreitung in Grönland, Bedrohungen und Schutzmaßnahmen ein.
Das Verhältnis von Klimawandel und Eisbärenpopulation ist kompliziert, die Analysen lassen sich nicht so einfach einordnen. Folgend finden Sie weitere Informationen zum Verhältnis von Wildleben und Klimawandel in Grönland.
Der Klimawandel ist in seiner Gesamtheit eine globale Katastrophe, in Grönland könnte er aber auch positive Auswirkungen auf den Handel mit sich bringen. Steigende Temperaturen begünstigen viele nationale Industrien, wozu Bergbau, Fischfang, Landwirtschaft, Tourismus und Schifffahrt zählen. Viele Grönländer sehen die Erderwärmung tatsächlich als eine Chance an.
In den 1950’ern wurde in Kvanefjeld, direkt bei Narsaq, Uran entdeckt. Diese Gegend wurde in letzter Zeit auch als Quelle seltener Mineralien bekannt. Gleichzeitig soll es viele seltene Mineralien auch im grönländischen Inlandeis geben, welches durch das Schmelzen des Eisschildes zugänglicher wird. Zink, Eisen, Uran, Gold und seltene Erdelemente könnten zum Vorschein kommen, die einige als die größten Ablagerungen außerhalb Chinas einschätzen.
„Rubine aus Aappaluttoq, Grönland.” – Video von: Field Gemology
Die Anzahl der für Grönland ausgestellten Abbaulizenzen ist in den letzten Jahren in die Höhe geschossen, da Länder wie Australien, Kanada und China Interesse zeigen, die Ressourcen des Landes auszubeuten.
„Greenland Resources Inc. Mining for Company Without Jesper”
– Video von: Andre Skinner
Die Auswirkungen dieses potentiellen Booms im grönländischen Bergbau können positiv wie negativ ausfallen. Bergbauprojekte schaffen Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum, sie bringen Einwanderung und Investitionen mit sich.
Gleichzeitig sehen viele diese Bergbauprojekte auch kontrovers. Einheimische sorgen sich um Strahlenbelastung und Umweltverschmutzung durch die Minen. Wer in der näheren Umgebung zu Minen ansässig ist, müsste eventuell Haus oder Land aufgeben.
Der Großteil aller Einnahmen aus grönländischen Exporten – über 90% – resultiert aus dem Fischfang. Durch die Erwärmung der Meere finden immer mehr südliche Fischsorten ihren Weg in die grönländischen Gewässer. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten für die Fischindustrie.
Fischer berichten, dass die Kabeljaubestände ständig größer werden. Und während Grönlands „rosa Gold“, die Eismeergarnelen, weiter nach Norden ziehen, treffen neue Fischsorten wie Makrele, Hering, Kabeljau und Roter Thunfisch in den Gewässern des Landes ein.
Wärmere Temperaturen ermöglichen es den Fischern, ihre Fangsaison zu verlängern und dadurch mehr Fisch zu fangen.
Gleichzeitig sind wärmere Temperaturen ein nachgewiesener Vorteil für die Agrarindustrie. Ein milderes Klima bedeutet eine längere Anbauphase, wodurch sich neue Möglichkeiten ergeben, Pflanzen für die lokale Nutzung in Südgrönland zu züchten, anstatt diese aus Dänemark zu importieren.
Trotzdem ist es noch ein weiter Weg, um die Landwirtschaft signifikant zu stärken. Das Wetter ist weiterhin unbeständig und die Produktion nicht groß genug, um das ganze Land zu versorgen. Zudem hat die Zunahme extremer Wetterlagen – wie etwa Dürren – Landwirtschaft und Viehzucht in einigen Teilen des Landes vor größere Herausforderungen gestellt.
Wenn das arktische Meereis schmilzt und die Temperaturen ansteigen, wird Grönland per Schiff deutlich zugänglicher, wodurch es für Investoren attraktiver wird und sich neue Chancen für internationalen Handel ergeben.
Im Zentrum dieser Debatten steht die Nordwestpassage, welche Atlantik und Pazifik über den Seeweg verbindet. Schmelzendes Meereis hat es in den letzten Jahren ermöglicht, diesen Seeweg für die kommerzielle Schifffahrt zu öffnen. Grönland liegt an der Nordwestpassage und würde davon profitieren, wenn diese Strecke sich zur regulären Handelsroute entwickeln würde.
„Schifffahrt in der arktischen Nordwestpassage” – Video von: asmithproduction
Der Klimawandel befördert die grönländische Tourismusindustrie aus unterschiedlichen Gründen.
Wenn das schmelzende Meereis neue Handelsrouten eröffnet, wird es Grönland auch für Kreuzfahrtschiffe zugänglicher machen. Wenn bisher zugefrorene Fjorde eisfrei werden, stehen weitere Reiseziele in Grönland Kreuzfahrtpassagieren offen. Weitere Städte und Siedlungen könnten von den ökonomischen Einnahmen durch Touristen profitieren.
Kreuzfahrtschiffe beginnen gerade damit, die Nordwestpassage zu queren. 2016 schrieb die Crystal Serenity Geschichte, indem sie die Nordwestpassage mit mehr als 1.000 Menschen an Bord durchquerte.
„Crystal Serenity Nordwestpassage 2016” – Video von: Crystal Cruises
Obwohl diese Route nun gestrichen wurde, scheint es möglich, dass ehemals zugefrorene Strecken wie diese in der Zukunft zu regulären Kreuzfahrtrouten werden.
„Großartige Kreuzfahrten in Grönland!” – Video von: Visit Greenland
Da die Temperaturen in Grönland steigen und Sommertemperaturen über 20 Grad notiert werden, wird das Land auch für diejenigen Touristen verlockender, die vom arktischen Klima manchmal abgeschreckt werden.
Zudem werden in der ganzen Welt die Auswirkungen des Klimawandels immer sichtbarer und Reisende beginnen, Grönland als letztes Refugium und diese Landschaft als etwas zu betrachten, dem ein Verfallsdatum anhaftet. Statistiken belegen, wie der Tourismus nach Grönland in den letzten Jahren angestiegen ist.
Heute ist Grönland ein autonomes Land innerhalb des Königreichs Dänemark. Das bedeutet, dass es in vielen Bereichen eigenständig regiert wird, gleichzeitig aber jährlich finanzielle Unterstützungen aus Dänemark erhält.
Seit 2009 hat Grönland eine Selbstverwaltung, womit es berechtigt wäre, sich vollständig von Dänemark unabhängig zu erklären (wenn dies durch ein Referendum bestätigt würde). Grundsätzlich herrscht unter der grönländischen Bevölkerung ein großer Wunsch nach Unabhängigkeit, wobei der Weg dorthin von der Frage behindert wird, inwiefern Grönland in der Lage ist, sich als unabhängige Nation selbst zu versorgen. Während eine vollständig unabhängige Regierung Grönland komplette Autonomie in seinen Entscheidungen ermöglichen und dem Land eine einzigartige kulturelle Identität geben würde, müsste es auch mit vielen Herausforderungen auf einer internationalen Bühne umgehen, mit denen Grönland noch nie verhandeln musste.
Hier können Sie sich weiter über den politischen Status Grönlands informieren.
Vielfältige Standbeine für die grönländische Wirtschaft werden als Schlüsselelement angesehen, um ein Wirtschaftssystem zu entwickeln, das auf eigenen Beinen steht. Interessanterweise könnte der Klimawandel die Grundlagen dafür schaffen.
Die Optionen für den Bergbau, hier in Kapitel 5 erwähnt, wecken das Interesse auswärtiger Investoren wie Ölförderern, Edelmetall- und Uranabbauunternehmen. Jedoch ist dies ziemlich paradox, denn sollte Grönland intensiv in diese Industrien einsteigen, würde sich der CO2-Ausstoß des Landes erheblich vergrößern. Das Land würde dann immer deutlicher zur globalen Erwärmung beitragen. Deshalb hat Grönland sich dafür eingesetzt, bestimmte Regulierungen zu lockern, die Praktiken einschränken sollen, die zur globalen Erwärmung beitragen. Grönland war in der Lage, sich gegen bestimmte internationale Vereinbarungen wie das Übereinkommen von Paris zu wehren, da Grönland aktuell Opfer und nicht Verursacher der globalen Erwärmung ist. Wenn jedoch Bergbau Grönlands Zukunft bedeutet, könnte das Land von Umweltschutzaktivisten, Regierungen und seinen eigenen Bewohnern unter Druck gesetzt werden, diese Industrie stärker zu regulieren.
Lesen Sie mehr über Grönlands Unabhängigkeit und die Verbindung zum Klimawandel:
Die Auswirkungen des Klimawandels werden vordergründig als ein Naturphänomen betrachtet. Für Grönländer aber sind Natur und Kultur nicht voneinander zu trennen, weshalb hier auch viele kulturelle Auswirkungen des Klimawandels betrachtet werden müssen.
Der Klimawandel macht es für Grönländer deutlich schwerer, traditionelle Kulturpraktiken wie das Fahren mit dem Hundeschlitten durchzuführen. Hundeschlittenteams nutzen das Meereis zum Reisen und Jagen, weshalb das schmelzende Meereis und kürzere Kälteperioden dazu führen, dass weniger Zeit und kleinere Gebiete für die Jagd nutzbar sind.
„Die traditionelle Lebensführung wird sehr herausgefordert“, sagt Bjarne „Ababsi” Lyberth, Biologe und Jagdexperte der Fischer- und Jägervereinigung. „Früher begaben sich die Leute zum Jagen für Wochen auf das Meereis. Sie gingen so weit, dass sie kein Land mehr sehen konnten. Heute können sie nur noch einen Tag lang auf dem Meereis reisen, es gibt zu viele offene Gewässer und es ist instabil.“
Ergebnis dieser reduzierten Jagdmöglichkeiten ist bei vielen Jägern die Abschaffung der Schlittenhunde, da diese im Unterhalt zu teuer werden. Und mit dem Verlust der Schlittenhunde geht auch ein Verlust von traditioneller grönländischer Kultur und Lebensweise einher.
„Inuit-Traditionen – Robbenjagd in Grönland auf dem Hundeschlitten” – Video von: Coastal Killers
In ähnlicher Weise wird das Weitergeben traditionellen Wissens im aktuellen Kontext des Klimawandels schwieriger.
Natuk Lund Olsen, grönländische Wissenschaftlerin, erklärt, dass „ein Vater sein traditionelles Jagdwissen nicht mehr mit seinem Sohn teilen kann, weil sich so viele Dinge ändern. Er kann ihm nicht mehr erzählen, was es bedeutet, wie der Himmel an einem bestimmten Tag aussieht… Das Wetter ist so unvorhersehbar geworden; jemand geht morgens bei gutem Wetter auf die Jagd, aber am Nachmittag zieht ein Sturm auf.“
Grönländer haben eine lange Tradition des mündlichen Lernens – das Teilen von Geschichten und Erfahrungen durch das gesprochene Wort. Hier beschreibt Natuk eine Situation, in der die Ältesten nicht mehr länger zuverlässig ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den jüngeren Mitgliedern der Gemeinschaft teilen können, da dieses Wissen durch unberechenbare Wetterbedingungen aufgrund des Klimawandels an Wert verloren hat.
Es wird die Sorge geäußert, dass Klimaveränderungen auch zu sprachlichen Veränderungen führen könnten. Grönländisch ist eine polysynthetische Sprache, die es erlaubt, Wortstämme und Suffixe zu sehr langen Wörtern zu verbinden. Ein Wort im Grönländischen ist ins Deutsche übersetzt häufig ein ganzer Satz, was zu extrem langen Wörtern im Grönländischen wie etwa diesem führt, welches als längstes Wort der Welt bezeichnet wird:
Nalunaarasuartaateeranngualioqatigiiffissualioriataallaqqissupilorujussuanngor-tartuinnakasinngortinniamisaalinnguatsiaraluallaqqooqigaminngamiaasiinngooq
und folgendes bedeutet:
„Es gab Berichte darüber, dass sie anscheinend – Gott weiß wie oft – wieder einmal erwägt hatten, dass ich trotz meiner schlechten Verfassung immer noch als ziemlich geschickt und einfallsreich angesehen wurde, als Initiator ein Konsortium zusammenzustellen, um eine kleine Reihe von Radiostationen zu gründen.”
Die polysynthetische Natur des Grönländischen bedeutet, dass einzelne Wörter häufig gebraucht werden, um Nuancen im Wetter zu beschreiben. Beispielsweise vermittelt „isersarneq“ so etwas wie: „Dies ist ein Wind im Fjord, der vom Meer her kommt und es schwer machen könnte, nach Hause zu kommen, aber wenn man aus dem Fjord herauskommt, ist das Wetter angenehm.“ In letzter Zeit verschwinden diese Begriffe, weil die Winde sich verändern und unberechenbar werden.
Außerdem sorgt man sich, dass die grönländische Sprache immer weniger gesprochen wird, je mehr Menschen zuwandern, wodurch die Sprache noch gefährdeter würde, als sie es ohnehin schon ist. Katti Frederikson, Leiterin des Sekretariats für die grönländische Sprache, erklärt dies: „Wenn wir unsere Sprache verlieren, gehen viele Geschichten verloren wie auch Großteile des traditionellen Wissens über Natur, Klima, Medizin und Landschaft. Und natürlich geht auch die Art wie wir denken und handeln verloren. Was ich also versuche zu sagen, ist, dass wenn die Leute aufgehört haben, Kalaallisut zu sprechen, wir Grönländer verloren haben.”
„Sprachen auf Eis” – Video von: Christopher Booker
Kapitel 5 hat bereits skizziert, welche Chancen sich für die Industrie durch den Klimawandel ergeben. Wenn Aktivitäten wie der Bergbau tatsächlich anlaufen, werden viele Arbeitskräfte im Land benötigt werden. Dies könnte neue Jobperspektiven für Grönlands Jugendliche schaffen, von denen viele mit Arbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten zu kämpfen haben.
Søren Hald Møller, ständiger Sekretär des grönländischen Premierministers, erklärt, dass es für eine Gesellschaft nicht so einfach ist, neue Berufe zu ergreifen. „Wir wissen, dass der Klimawandel auch neue Möglichkeiten mit sich bringt, etwa beim pelagischen Fischen [Kabeljau, Hering, Makrele]. Trotzdem kann man nicht so einfach und schnell zu einem völlig anderen Beruf wechseln.”
In naher Zukunft wird Grönland womöglich signifikante Einwanderung in Form eines Zustroms ausländischer Arbeitskräfte erleben, die im Bergbau arbeiten werden. Für eine fernere Zukunft gibt es auch Spekulationen, dass Menschen nach Grönland zuwandern könnten, deren tiefer liegende Städte vom steigenden Meeresspiegel betroffen wären.
Wie auch eine potentielle Veränderung der Sprache, wie sie oben bereits beschrieben wurde, wird dies unbestreitbar große Auswirkungen auf die grönländische Kultur und Lebensweise haben. Aqqaluk Lynge, Vorsitzender des Inuit Circumpolar Council, fordert die Bevölkerung dazu auf, „sich die Konsequenzen vorzustellen, die der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte mit sich bringen wird. Eine Minderheit im eigenen Land sein, möchtet ihr das?” Da Grönland die niedrigste Bevölkerungsdichte eines Landes in der Welt hat, mit einer Einwohnerzahl von nur etwas über 56.000 auf der größten Insel der Welt, könnte es bei einer größeren Zuwanderung dazu führen, dass die einheimische Bevölkerung marginalisiert würde.
Um die zeitliche Entwicklung des Klimawandels und ab welchem Punkt wir welche Auswirkungen erwarten müssen, wird viel diskutiert. Einige Klimaforscher wie Guy McPherson prognostizieren ein derartiges Fortschreiten des Klimawandels in den kommenden Jahren, dass die Menschheit innerhalb unserer Lebenserwartung aussterben könnte. Dafür wird ein exponentieller Anstieg der Erwärmung angenommen, der zu großem und plötzlichem Mangel an Nahrungsressourcen, Einschränkungen im Handel, Zusammenbrechen der Wirtschaft, Massenumsiedlungen von Völkern und eventuell zu Kriegen führen würde. Andere Berechnungen sind weniger dramatisch und datieren die deutlichsten Auswirkungen auf das Ende dieses Jahrhunderts oder sie argumentieren, dass es viel zu früh sei, mögliche globale Krisen vorauszusehen.
Die meisten Wissenschaftler akzeptieren mittlerweile, dass diese globalen Veränderungen unvermeidlich sind. Es bleibt aber die Frage, wann und in welchem Ausmaß sie geschehen. Die Geschehnisse werden womöglich im Besonderen davon beeinflusst, wie schnell die Pole schmelzen, weshalb die von den Wissenschaftlern in der Arktis und Antarktis durchgeführten Arbeiten extrem wertvoll und nützlich sind.
Projekte wie Dark Snow arbeiten in Grönland daran, unser Verständnis vom Schmelzen in der Arktis und welche Effekte das hat, zu erweitern.
„Dark Snow Project Saison 2018” – Video von: greenman3610
Das East Greenland Ice-Core Project (EastGrip) ist ein internationales Forschungslager, an dem Wissenschaftler vor Ort Proben des Inlandeises entnehmen, die bis zu 40.000 Jahre alt sind – um zukünftige Veränderungen des Planeten prognostizieren zu können.
Das Inuit Windsled Project nutzt die natürliche Windenergie, um über das Inlandeis zu reisen und wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen.
Neben wissenschaftlichen Untersuchungen in der Arktis sind globale politische Bemühungen der Schlüssel dazu, die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren. Man ist sich einig darüber, dass fossile Brennstoffe heute mit am stärksten den Klimawandel beschleunigen. Dies ist ein besonderes Problem in sich schnell entwickelnden Ländern wie China und Indien, die eine reduzierte Nutzung fossiler Brennstoffe verweigern, da sie sich berechtigt sehen, diese zu benutzen, um auf die von der westlichen Welt bereits erreichte Entwicklungsstufe aufzuschließen.
„GoPro: Klimawandel und eine optimistische Zukunft” – Video von: GoPro
Allgemein schauen Grönländer etwas weniger düster auf den Wandel, als es der Rest der Welt vielleicht tut. Sie betrachten sich selbst häufig als ein Volk, das über die Zeiten hinweg kontinuierlich dazu gezwungen war, sich gesellschaftlichen und klimatischen Veränderungen anzupassen. Diese unvermeidliche Zukunft ist deshalb nur eine neue Entwicklung, auf die sie sich einstellen müssen. Bjarne „Ababsi” Lyberth, Biologe und Jagdexperte der Fischer- und Jägervereinigung, sagt, dass „die Änderungen, die Europa und dem Rest der Welt nun bewusst werden, in Grönland schon seit 10 oder 20 Jahren stattfinden. Das ist nichts, was den Leuten Angst macht. Es stellt sich eher die Frage, wie man sich darauf einstellt.”