Eine kurze Musikgeschichte von Grönland
Die grönländische Musikgeschichte beginnt lange bevor sie überhaupt von jemandem bemerkt werden konnte. Lange bevor in den arktischen Gebieten Wissen niedergeschrieben wurde, begann sie zu einem Zeitpunkt, für den Archäologie und Mythos unsere einzigen Wissensquellen darstellen. Zu dieser Zeit ereignete sich das Leben als ein Zusammenspiel (und manchmal ein Kampf) zwischen den Menschen, den Elementen und den gejagten Tieren. Man kann sich darüber wundern, dass die Menschen, die Grönland vor über 4.000 Jahren bewohnten, Zeit für Musik hatten. Aber wenn der Magen gefüllt war und die Gemeinschaft in den Zelten aus Tierhaut oder den Torfhütten zusammenrückte, wurde die Rahmentrommel, Qilaat, herausgeholt und zu einer Mischung aus Tanz, Gesang, Geschichtenerzählen und Musik geschlagen. Diese Trommeltechnik wird in vielfältigen Variationen von Sibirien bis Grönland praktiziert und stellt eine bis heute lebendige Tradition dar.
Es gibt keine Beweise dafür, dass die Nordmänner, ein Grönland vom 10. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts bewohnendes Wikingervolk, eine bleibende Musikkultur mitbrachten. Als aber die Europäer begannen, Grönland zu bereisen, um in erster Linie Walfang zu betreiben, brachten sie die damalige Unterhaltungskultur in Form von Musik und Tanz mit. Die Walfänger handelten intensiv mit den Inuit und in diesem Kontext wurde auf den vorhandenen Instrumenten zum Tanz aufgespielt. Dabei lernten die Grönländer das europäische Repertoire kennen, das in die Tradition des Kalattuut umgedeutet wurde und in vielerlei Hinsicht anderen Volksmusik- und Tanztraditionen im Nordatlantik ähnelt, aber sich beispielsweise dadurch kennzeichnet, dass die Rhythmen schneller sind. Wenn Sie in Grönland auf ein Fest gehen, sollten Sie Ihre Tanzschuhe schnüren, weil Sie das Glück haben könnten, zu einer grönländischen Polka aufgefordert zu werden. Und da kann man sich nicht davonschleichen.
Als Dänemark 1721 mit der Missionierung und Kolonisierung von Westgrönland begann, wurden Trommeltanz und –gesang verdrängt. Stattdessen wurden Chor- und Kirchengesang eingeführt. Besonders die deutsche Brudergemeinde der Herrnhuter verstand es, Musik zur Verkündigung der Heiligen Schrift einzusetzen und hatte daher einen großen Einfluss auf die grönländische Chortradition. Etwas später komponierten auch grönländische Intellektuelle Chormusik, die ihren ganz eigenen Gesangsstil hat und weltweit Anerkennung findet.
Der dänische Staat setzte in Grönland bis zum Beginn des 2. Weltkriegs eine strenge Kolonisierungsstrategie durch, nach der Grönland relativ isoliert vom Rest der Welt blieb, auch wenn insbesondere in Westgrönland die Modernisierung Einzug erhielt. Grönländer hatten aber keinen freien Zugang zu westlicher Kultur, bis Nazideutschland 1940 Dänemark besetzte und man damit begann, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten, um das Land zu schützen und mit Gütern zu versorgen. Der 2. Weltkrieg führte dadurch für die Grönländer zu einem kulturellen Erwachen und als der Krieg endete, wünschten sie sich eine weitere Öffnung ihres Landes. 1953 endete Grönlands Status als Kolonie und das Land wurde zu Provinzen innerhalb Dänemarks erklärt. Jahre später entstand in der Bergbaustadt Qullissat in der Diskobucht ein grönländisches Country-Westerngenre, genannt Vaigat-Musik. In den 1960er Jahren gründeten sich die ersten grönländischen Rock-’n’-Roll-Bands, die in Kneipen und Versammlungshäusern insbesondere in der Hauptstadt Nuuk internationale Hits spielten.
In den 1970ern hielt die große Revolution namentlich durch die Band Sume Einzug in die grönländische Musik, ihre Mitglieder waren grönländische Studenten in Kopenhagen. Die Gruppe machte Rockmusik auf Grönländisch über grönländische Themen und unter Einbezug inuitischer Symbole. Damit verschaffte sie dem wachsenden Wunsch eines Grönlands unter grönländischer Souveränität Gehör, verwurzelt in der grönländischen Kultur. Diese Bestrebungen führten zur Einführung der grönländischen Selbstverwaltung 1979.
Seit Sume hat sich die grönländische Musik in viele verschiedene Richtungen bewegt, weiterhin sind die Verwendung der grönländischen Sprache, nationale Themen und inuitische Symbole weit verbreitet und zwar unabhängig davon, ob das musikalische Genre Rock, Rap oder Heavy Metal heißt. Einige Künstler haben Erfolg dabei gehabt, ein Publikum außerhalb Grönlands zu finden, allgemein kennzeichnet sich die grönländische Musikszene aber eher dadurch, sich in hohem Grad dem grönländischen Publikum zuzuwenden. Sie ist ein zusammenschweißendes Element für ein kleines Volk, das in riesigen Abständen über die größte Insel der Welt verstreut lebt.