Ein künstlich eingefärbtes Satellitenbild der Kangerlussuaq-Region, auf dem die Siedlung und der zufließende Gletscherfluss gemeinsam mit dem Russell-Gletscher und seinem Eisstausee zu sehen sind.
Aufzeichnungen von Gletscherläufen des Russell-Gletschers können mindestens bis in die 1940er zurückverfolgt werden, sie liegen in Form von Luftbildern, Messungen des Wasserabflusses und der Sedimentation, Zeitrafferaufnahmen und direkten Beobachtungen vor. Gletscherläufe traten am Russell-Gletscher bis 1987 alle zwei oder drei Jahre auf, danach folgte eine längere Ruhepause von 20 Jahren, in der keine Gletscherläufe verzeichnet wurden.
2007 trat der größte aufgezeichnete Gletscherlauf am Russell-Gletscher auf, bei dem ungefähr 39,1 Millionen Kubikmeter Wasser über die Dauer von 17 Stunden freigesetzt wurden. Dies entspricht der Wassermenge von mehr als 15.000 olympischen Schwimmbecken, wobei pro Sekunde etwa ein Viertel eines olympischen Schwimmbeckens ausgeschüttet wird. Seit 2007 treten die Gletscherläufe am Russell-Gletscher fast im Jahresrhythmus auf, üblicherweise in der Sommersaison zwischen Juni und September.
Ein sich verändernder Gletscher
Somit ist eine der Kernfragen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, warum sich die Frequenz der Gletscherläufe am Russell-Gletscher derart verändert hat. In der Theorie werden die Zyklen der Gletscherläufe durch den sich verändernden Zustand des Gletschers wie etwa die Gletscherposition und die Dichte des Eises geschaffen, was auch die Position und die Festigkeit des Staudamms beeinflusst.
Der Teilabfluss des Russell-Gletscher-Eisstausees 2019, mit einem teilweise künstlich eingefärbten Satellitenbild eingefangen.
Der Russell-Gletscher hat über seine Lebensdauer hinweg verschiedene Phasen des Gletschervorstoßes und des Rückzuges durchgemacht. Eine bemerkenswerte Phase des Vorstoßens und Zurückziehens war eine Periode des Vorstoßes zwischen 1987 und 1999, auf die unverzüglich ein Rückzug von ungefähr 50 m und eine drastische Verdünnung des Eises folgte. Dabei verringerte sich die Eisoberfläche um etwa 10 m. Der Vorstoß des Gletschers fiel zeitlich mit der 20-jährigen Ruhephase der Gletscherläufe zusammen und es ist wahrscheinlich, dass die folgende Rückzugsphase die neue Welle an Gletscherläufen ausgelöst hat.
Wissenschaftler forschen weiterhin zum Russell-Gletscher und seinem Eisstausee, um diese Dynamiken besser verstehen zu können und wie er sich in der Zukunft verändern könnte. Man erhofft sich, dass durch hier gewonnene Inneneinsichten sich auch die Vorgänge an anderen Gletschern weiter ergründen lassen und vielleicht sogar eine globale Einordnung möglich wird. Um dorthin zu gelangen, ist es aber noch ein weiter Weg. Es warten vielfältige und noch unbetretene Pfade, welche die Wissenschaft entdecken kann. Dazu gehört auch die Einbeziehung von grönländischem Wissen und Beobachtungen, da unser Verständnis bisher kaum auf Einblicken der Einheimischen basiert. Dieses Wissen würde eine unfassbar wertvolle und starke Dokumentation darstellen, wenn man es vollständig und sinnvoll auswerten könnte.
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