- Die Zeitzone ändert sich am 25. März 2023, wenn Grönland wie üblich die Uhren zur Sommerzeit eine Stunde nach vorne dreht. Trotzdem wird dieser Wechsel erst im Oktober Wirkung zeigen, wenn die grönländischen Uhren normalerweise gemeinsam mit den europäischen Uhren eine Stunde zurückgedreht würden. Stattdessen wird die Uhrzeit dieses Jahr im Oktober nicht verändert.
Die Zeiten ändern sich in Grönland. Der Wechsel der Zeitzone markiert einen wichtigen Neustart und eine gleichwertige Verbindung zu Nordamerika und Europa – und eine Möglichkeit, in einer sich rapide ändernden Welt das Tempo etwas herunterzufahren.
Heutzutage ist Grönland in vier Zeitzonen unterteilt. Die Standardzeit ist UTC -3, während Ittoqqortoormiit in Ostgrönland in der Zeitzone UTC -1 liegt.
Die Wetterstation „Danmarkshavn” liegt in der Zeitzone UTC +0 und Pituffik (Thule Air Base) bei UTC -4.
Kommt ihr durcheinander? Das verstehen wir.
Obwohl es eigentlich ganz einfach ist – schaut dafür einmal in der Karte weiter unten nach.
Nun ändert der Großteil von Grönland seine Zeit von UTC -3 zu UTC -2 und das bedeutet, dass Grönland in Zukunft eine dreistündige Zeitdifferenz zu sowohl Nordamerika als auch Europa halten wird. Ab Oktober rückt es Europa eine Stunde näher.
Insel, Nation, Königreich und Welt
Der Wechsel ist geopolitisch sehr interessant. Denn Grönland ist geografisch ein Teil des nordamerikanischen Kontinents, geopolitisch gehört das Land aber zu Europa als ein selbstregiertes, autonomes Land innerhalb des Königreiches Dänemark. Hier könnt ihr euch dazu weiter informieren. Sowohl Politikerinnen als auch Industrievorstände haben das Argument bekräftigt, dass die nähere Verbindung zu Europa für den Handel von Vorteil sein wird – sie ermöglicht Grönland eine weitere Stunde pro Tag, um mit europäischen Unternehmen zusammenzuarbeiten.
Die Arktis ist in der globalen Politik ein heißes Eisen und Grönland tritt auf die internationale Bühne, indem es mit der zeitlichen Anbindung an die Weltgemeinschaft eine eigene Agenda setzt.
Dunkelheit, Licht und Schlaf
Grönland entfernt sich somit von der Zeitzone, zu der es geografisch gehören würde und das hat eine neue Befürchtung aufgebracht, inwiefern die Veränderung Einfluss auf den Schlafrhythmus nehmen könnte – und zwar derart intensiv, dass Politiker und Politikerinnen sich Schlafstudien aus Island angesehen haben, welche die gleiche Angelegenheit untersuchen.
Die Sorge bezüglich der Schlafmuster hat mit Licht und Dunkelheit zu tun. Genau wie Sommer- und Winterzeit spielen die Zeitzonen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung unserer Tagesrhythmen, die sich am Sonnenrhythmus orientieren.
Es gibt viele Missverständnisse zu Licht und Dunkelheit in Grönland. Eines der größten ist dabei die falsche Annahme, dass es in Grönland 6 Monate lang dunkel ist.
In Qaanaaq, Grönlands nördlichster Stadt, dauert die Polarnacht vom 24. Oktober bis zum 17. Februar. In dieser Zeit ist die Sonne in der Stadt nicht zu sehen, aber das bedeutet nicht, dass es in dieser Periode durchgehend pechschwarz ist. Zu Beginn steht die Sonne nur ganz knapp hinter dem Horizont, Eis und Schnee erhellen die Stadt.
Wie der kürzeste Tag in den unterschiedlichen Regionen aussieht, könnt ihr euch hier anschauen.
Kaperlak, wie die Einheimischen aus Qaanaaq die Polarnacht nennen oder auch ,Die dunkle Zeit’, wird in Nordgrönland genauso wie die Rückkehr der Sonne gefeiert. Manchmal werdet ihr einen Nordgrönländer etwas in der Art sagen hören wie: „Die Arbeit hat mich so angestrengt, ich freue mich auf die dunkle Zeit.” Für einige ist dies eine gemütliche Zeit zum Runterkommen.
Abhängig davon, wie weit nach Norden ihr reist, werden die Monate und Stunden an Tageslicht zunehmen. Denn die Bewohner von Nordgrönland sehen im Sommer auch das meiste Licht. Wenn ihr bei eurer Reise den Polarkreis überquert, erscheint das Naturphänomen der Mitternachtssonne. Das bedeutet, dass die Sonne nicht untergeht. Im zentralen Grönland dauert es von Mai bis Juli. Weitere Infos findet ihr hier.
Sobald Grönland in die andere Zeitzone wechselt, wird dies einen zwischenzeitlichen Einfluss auf den Tages- und Nachtrhythmus der Einheimischen nehmen, ähnlich wie beim Jetlag. Die grönländische Bevölkerung ist aber daran gewöhnt, polare Nächte abzudunkeln und arktische Tage zu erhellen.
Die Kultur der Zeit
Der Zeitzonenwechsel ist auch eine Gelegenheit, sich den kulturellen Umgang mit der Zeit in Grönland anzuschauen. Zeit wird dabei immer in Verbindung mit Spontanität und Ruhe vorgestellt.
Beide Konzepte dürften zumindest teilweise unter Grönländerinnen und Grönländern aufgrund der Wetterlagen verwurzelt sein. Bei diesem wechselhaften Klima möchten die Leute sich sofort zu einer Skitour oder einer Bootstour hinauswagen, wenn die Bedingungen stimmen, und nicht erst nächste Woche, wenn das Wetter wieder schlechter sein könnte. Auf der anderen Seite bleiben Einheimische daheim, wenn die Wettervorhersage Wind und Schnee verspricht. Sie warten den Sturm lieber ab.
Grönland hat dieses Zeitverständnis in seine moderne, vielschichtige Gesellschaft integriert. Ihr könnt das beispielsweise am Ausdruck ,ajunngilaq’ (übersetzt ,alles in Ordnung’ oder ,ah, okay’) erkennen oder im Konzept des Kaffemik – einer Feierlichkeit mit Essen, Kuchen und Kaffee. Diese wird als offene Einladung ausgerichtet, zu der die Gäste über den Tag verteilt kommen und gehen, wie sie mögen. Dafür müssen sie sich nicht nach einer festen Zeitschiene richten.
Grönlands Kultur ist gelassen und umsichtig. Einheimische sind gut darinnen, schnell und entschlossen zu reagieren. Von diesem Zeitverständnis und der ihm zugrundeliegenden Kultur gibt es viel zu lernen.
Herunterfahren und langsamer reisen
Die Verschiebung der Zeitzone kann ein Anlass zum Nachdenken darüber sein, wie wir davon profitieren könnten, unsere Alltagsroutine oder sogar unser Zeitverständnis beim Reisen zu verändern. Leider meinen wir damit keine Zeitreisen, sondern eher ein langsameres, behutsameres Reisen. Wenn ihr das Gefühl habt, euer Leben ist sehr hektisch und stressig geworden, könnte Grönland genau das von der Ärztin vorgeschlagene Reiseziel sein.
Grönländer sind Experten des ,Slow Travel’ und jede Region bietet vielseitige Angebote, um genau das zu tun. Vom Fliegenfischen über das Hundeschlittenfahren, zu Wellness-Entdeckungen und Glamping: Grönland steckt voller Erlebnisse, die euch runterkommen und verweilen lassen, um an den Blumen (oder doch eher an den Eisbergen) zu schnuppern. Das sind Dinge, die in unserem hektischen Alltagsleben in dieser Welt oft zu kurz kommen, die so schnelllebig geworden ist.
Ein neuer Tag bricht an
In einem Zeitalter des verantwortungsvollen Reisens verlangt der Kontext, dass wir unsere Art des Reisens überprüfen.
Grönland steht beim Klimawandel an vorderster Front. Hier werden die vielschichtigen Veränderungen innerhalb der Arktis direkt erfahren und man versteht, dass die Zeit knapp wird.
Zur gleichen Zeit bewegt sich das Land durch einen Veränderungsprozess, in welchem eine wunderschöne, reiche und lange etablierte Kultur bewahrt und innerhalb einer modernen Gesellschaft fortwährend überprüft wird.
Diese Zeit verlangt, dass Touristinnen und Touristen sich die Form ihres Reisens genau ansehen. Aufmerksam sein, nachhaltige Lösungen wählen, manchmal etwas länger an einem Ort verweilen und dabei sicherstellen, dass man sich darüber Gedanken gemacht hat, wie sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die Natur vor Ort geschützt und unterstützt werden können: Grönland geht durch diese Veränderungen aktuell hindurch und lädt seine Gäste dazu ein, aktiv an ihnen teilzunehmen.
Um es noch einmal zusammenzufassen: Grönland ändert seine Zeitzone. Und das ist ein aufregender Neustart und eine Neuerfindung. Es ist eine Verbindung zur Welt und ein einzigartiger Zeitpunkt für das Land selbst. Ihr seid eingeladen – in der Zeit zu reisen und die grönländische Zeit zu erleben.
Artikel von Anna Maria Jakobsen