Wo:
Die Halbinsel nördlich des Ewigkeitsfjords.
„Wir müssen nach Grönland!“ Ich war noch im Halbschlaf, als Frederik mich eines Morgens viel zu früh anrief. Mit zwei kleinen Kindern ist der Abenteuerfotograf Frederik Schenholm ein eingefleischter Frühaufsteher.
„Ich habe nachgedacht“, meinte er und fuhr dann fort: „Grönland muss großartig sein und es kann nicht allzu schwer sein, uns dort einzurichten.“
Unser Traum vom Skitourenfahren in Grönland war zu einer Realität geworden, die uns für immer im Gedächtnis bleiben würde und all unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat.
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Gesagt, getan. Wir begannen mit der Planung für ein Grönland-Abenteuer, das wir mit möglichst einfachen Mitteln und einem Schwerpunkt auf Skifahren in Pulverschnee, Gletschern und Fjorden bestreiten wollten. Schon bald beteiligten sich Journalistenkollege und Abenteurer Martin Letzter und der ehemalige Snowboarder – heute ein leidenschaftlicher Skitourengeher – Tom Seeman an der Planung. Wir konnten Kontakt zu einigen Leuten aufnehmen, die sich im Land auskannten, und so war es ganz einfach, uns einen groben Plan für das ganze Abenteuer zurechtzulegen.
Es war Dienstag früh und kurz bevor wir am Flughafen von Kopenhagen ins Flugzeug stiegen, erhielten wir einen Anruf von unserem lokalen Guide Sören Lyberth.
„Der Wetterbericht für morgen sieht nicht so gut aus und deshalb würde ich vorschlagen, dass wir heute schon aufbrechen, sobald ihr in Maniitsoq ankommt.“
Der ursprüngliche Plan bestand darin, den Abend im Hotel Maniitsoq zu verbringen und es am Mittwoch langsam angehen zu lassen, Lebensmittel und Ausrüstung einzukaufen, bevor wir mit dem Boot in Richtung Ewigkeitsfjord aufbrechen wollten. Aber ein Plan ist nur dann gut, wenn er flexibel ist und deshalb nutzten wir den Aufenthalt bei der Zwischenlandung in Kangerlussuaq, um die Einkaufsliste zu schreiben. So kam es, dass wir uns bereits zwei Stunden nach unserer Ankunft in Maniitsoq auf dem Weg in die wunderschöne Wildnis Westgrönlands befanden.
Westgrönland ist berühmt dafür, dass es sich von April bis Anfang Juni gut abseits der Pisten Skifahren lässt. Genauso wie das Wetter wunderbar sonnig und der Pulverschnee ideal sein können, muss man aber auch auf Wind und Regen gefasst sein. Zwar kann das Wetter unbeständig sein, aber aufgrund der gewaltigen Inlandfläche lässt es sich doch etwas besser einschätzen, als man meinen sollte. Einerseits sind die Chancen auf Pulverschnee im April offensichtlich besser, andererseits kann es aber auch noch sehr kalt sein. Für alle, die Schnee im Frühling bevorzugen, ist der Mai der optimale Reisemonat. Aber auch hier gibt es kein 100-prozentiges Erfolgsrezept und das Wetter in den Bergen ist schwer vorhersehbar, deshalb heißt es einfach ein Datum auswählen und auf das Beste hoffen.
Nach einer zweistündigen Bootsfahrt, auf der wir das großartige Tourenski-Paradies des Hamburgerlands durchquert hatten, hielten wir schließlich auf den Platz zu, den wir für unser Camp ausgesucht hatten, nur um festzustellen, dass die Eisschicht auf dem Fjord zu dick war. „Nein, es ist unmöglich mit dem Boot durchzubrechen“, erklärte unser Kapitän Sören bestimmt. Und wieder einmal erkannten wir, wie wichtig eine flexible Planung war. Wir drehten ab und fuhren unsere zweite Option an der südlichen Küste der Halbinsel an. Um neun Uhr abends wurden wir schließlich allein am Ufer abgesetzt, als es gerade zu schneien begann. Das Licht ist um diese Jahreszeit knapp unterhalb des nördlichen Polarkreises kein Problem, sodass unser Basislager schnell aufgeschlagen war. Unsere einzigen neugierigen Beobachter waren ein Polarfuchs auf der einen Seite des Tals und sein Beutekaninchen auf der anderen Seite.
„Steht auf, ihr müden Reisenden, es gibt Frühstück im Vorzelt“, riss Tom uns viel zu früh am Mittwochmorgen aus dem Schlaf.
Aber die Müdigkeit war schnell vergessen, als wir sahen, wo wir uns befanden. Kristallklares blaues Wasser und beeindruckende weiße Berge soweit das Auge reicht.
Moderne Ski-Resorts werben heutzutage oft mit Ski-in/Ski-out-Möglichkeiten. Aber das hier war nicht zu übertreffen!
Nachdem wir direkt vor unseren Zelten unsere Ski angeschnallt hatten, standen uns quasi endlose Möglichkeiten für Skitouren sämtlicher verschiedener Schwierigkeitsgrade offen. Die nächsten Tage hieß uns Grönland auf eine Weise willkommen, wie wir sie uns nicht besser hätten erträumen können: eisiger Pulverschnee, riesige Gletscher, großartige Berggipfel und tiefblaue Fjorde, die im Sonnenlicht funkelten. Die Berge eignen sich perfekt für Skitouren; sie sind leicht zugänglich und von allen Gipfeln lassen sich einige gute Abfahrten machen. Die Halbinsel lockt mit Skimöglichkeiten aller Art, was ideal ist, wenn man wetterunabhängig auf der Suche nach gutem Schnee ist und zugleich das Lawinenrisiko so gering wie möglich halten möchte. Außerdem gibt es auf der Halbinsel eine Reihe von Gletschern, von denen wir angeseilt einige überquerten. Alles in allem lässt sich ein Abenteuer dieser Art relativ leicht organisieren und wenn man genügend Bergerfahrung hat, liegt das Ziel näher, als man vielleicht denkt.
Alternativ kann man sich auch den Touren anschließen, die von einigen professionellen Helikopter-Reisegesellschaften oder Ski- & Bootstourenanbietern rund um Maniitsoq angeboten werden. Ihre Reiseführer sind ortskundig und können je nach den vorherrschenden Bedingungen die besten Touren auswählen. Eines ist ganz sicher: Es gibt genügend Platz für alle! Wer in der Umgebung von Maniitsoq Skitouren unternehmen möchte, hat eine unbegrenzte Auswahl an Bergen und unglaublichen Abfahrten – und kann sich nicht zuletzt an einer atemberaubenden Landschaft erfreuen.
So eigenartig es auch klingen mag – Zelten ist im Winter eigentlich besser als im Sommer. Der Schnee lässt sich dort, wo man schlafen möchte, schön planieren, während man im Vorzelt etwas tiefer graben, und sich eine richtig nette Außenküche aus Schnee bauen kann. Und Wasser ist unbegrenzt rund herum vorhanden. Da allerdings mit kalten Temperaturen zu rechnen ist, müssen Zelt, Schlafausrüstung und Stauraum für winterliche Bedingungen ausgelegt sein. Außerdem sollte man genügend Zeit mitbringen. Wetter- und Schneebedingungen können sich von Tag zu Tag ändern. Nachdem wir über eine Woche Zeit hatten, konnten wir uns sogar ein paar entspannte Tage im Basislager gönnen, die wir mit Lesen und Iglubauen verbracht haben und es einfach rundum genossen haben, draußen in der Wildnis zu sein, weit ab vom Alltagsstress.
Wie sieht es aus?“, schrie Johan. „Nicht schlecht…“, antwortete Martin und richtete seine Skier auf den steilen Teil des Gletschers aus. Einen Moment später tauchte er 500 Meter weiter unten mit einer vielversprechenden Schneefahne wieder auf, die er in jeder Super-G-Kurve auf dem Weg runter in den Fjord hinterließ.
Der letzte Tag hätte nicht perfekter sein können. Klarer, blauer Himmel, kein Wind und fantastischer Pulverschnee. Unser Traum von einer Skitour in Grönland hatte sich in eine Erinnerung fürs Leben verwandelt, jenseits aller Erwartungen.