Qaanaaq, im hohen Norden Grönlands fast am Ende der Welt gelegen, ist das perfekte Ziel für Reisende, die das extreme Grönland erleben möchten. Diese Stadt ist schon fast so einsam, wie es für einen Touristen in Grönland überhaupt nur werden kann. Es kann ja durchaus schon eine große Sache sein, überhaupt zu entscheiden, nach Grönland zu kommen, aber für diejenigen, die neugierig genug sind, um zu schauen, wie weit gen Norden sie gehen können, wird Qaanaaq zu der Herausforderung.
Obwohl es soweit nördlich liegt, ist Qaanaaq das ganze Jahr über perfekt erreichbar – zu unterschiedlichen Jahreszeiten kann es aber wie eine andere Welt erscheinen. Ich lebe nun seit vier Jahren in Grönland. Vor kurzem hatte ich das Glück, zwei Reisen nach Qaanaaq unternehmen zu können – eine im Winter und eine im Sommer.
Continues further down the page...
Im Winter ist das Meer vor der Stadt Qaanaaq dutzende Kilometer weit zugefroren. Da es kein reguläres Passagierschiff nach Qaanaaq gibt, erreichen die Leute die Stadt meistens per Propellerflugzeug, das von Air Greenland betrieben wird. Wie Sie sich vorstellen können, kann das Fliegen bei der langen Distanz nach Qaanaaq kompliziert sein und Sie müssen häufig ein paar Male umsteigen.
Auf meiner Winterreise nach Qaanaaq liefen die Dinge nicht ganz planmäßig. Aufgrund von schlechtem Wetter, zuerst in Ilulissat und dann am nächsten Tag in Upernavik (wo manchmal Verbindungen nach Qaanaaq bestehen) und dann noch in Qaanaaq selbst, verspätete sich meine Reise insgesamt um 3 Tage. Leider können wir bei schlechtem Wetter überhaupt nichts tun. In Grönland entscheidet das Wetter alles. Wir können nur warten, bis es wieder möglich ist, weiterzureisen. Nach meiner Ankunft in Qaanaaq war ein Ausflug mit dem Hundeschlitten geplant, aber der war natürlich auch aufgrund des Wetters verspätet.
Die Wettervorhersage informierte mich darüber, dass das Wetter ab dem Nachmittag des Tages aufklaren sollte, an dem wir unseren Hundeschlittenausflug geplant hatten. Deshalb fragte ich einen der Schlittenführer, der die Tour organisierte, ob es in Ordnung wäre, unseren Ausflug am Nachmittag zu beginnen. Er sagte, dass es besser wäre, auf den nächsten Tag zu verschieben und raten Sie mal: Er hatte völlig recht. Der Schneefall hörte den ganzen Tag lang nicht auf und es war gut, dem Rat des Hundeschlittenführers zu folgen. Dessen Fähigkeit das Wetter vorherzusagen, übertrifft häufig die Onlinevorhersage.
Am nächsten Tag konnten wir am späten Nachtmittag endlich unseren Hundeschlittenausflug beginnen. Es war immer noch bewölkt, aber wir vertrauten den Schlittenführern, die uns gesagt hatten, dass das Wetter später am Tag besser würde.
Grönländische Schlittenhunde unterscheiden sich deutlich von den Hunden, an die Sie oder ich gewöhnt sind. Sie werden nicht als Haustiere erzogen und leben immer draußen, selbst wenn es stürmt. Auch wenn die Hunde normalerweise angekettet sind, wenn sie nicht arbeiten, sollten Sie sich ihnen nicht zu sehr nähern, wenn es der Besitzer nicht ausdrücklich erlaubt hat. Schlittenhundewelpen laufen ohne Kette frei herum.
Als der Schlittenführer die Hunde zusammentrieb, um den Schlitten vorzubereiten, sahen die Hunde genau so aufgeregt wie ich aus. Es schien, als hätten sie ewig auf diesen Moment gewartet. Alles was sie brauchten, war das Kommando des Schlittenführers, in welche Richtung sie laufen sollten. Während dieser die Hunde vor den Schlitten spannte, musste seine Frau die Hunde mit der Peitsche zur Ruhe rufen. Dabei berührte die Peitsche die Hunde nie, sie wurde nur zur Kontrolle verwendet. Und endlich waren wir bereit, loszufahren!
Der Stadt Qaanaaq gegenüber steht eine spektakuläre Bergkette. Zuerst dachte ich, dass diese Berge der Stadt sehr nah waren, aber dann erkannte ich doch recht bald, dass in dieser flachen und endlosen Landschaft die Dinge deutlich weiter entfernt sind, als es mit dem bloßen Auge erscheint. Ich hatte nicht erwartet, dass es 8 Stunden bis zu dem Unterstand dauern würde, der am Fuße eines der Berge lag.
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich die Fahrt mit dem Hundeschlitten zur Eiskante fortführen, wo das Meereis wieder beginnt. Aufgrund eines unerwarteten Wetterumschwungs mussten wir aber den ganzen Tag in der Hütte bleiben und auf den richtigen Moment zur Weiterreise warten. Im starken Schneesturm blieben die Schlittenhunde draußen. Nicht zum ersten Mal hatte ich auf dieser Tour den Eindruck, dass dies wirklich wilde Tiere sind.
Während des Sommers besuchte ich Qaanaaq ein weiteres Mal. Diesmal war das Meereis vor der Stadt geschmolzen. Nun war es an der Zeit, mit dem Boot und Kajak statt dem Schlitten zu reisen.
Eine Aktivität, die ich für meinen sommerlichen Aufenthalt in Qaanaaq geplant hatte, war die Begleitung einer einheimischen Narwaljagd. Für Touristen kann es schockierend sein, wenn sie hören, dass die Einheimischen in Grönland Tiere wie Narwale jagen. Aber an einem Ort wie Qaanaaq, der sich in der hohen Arktis befindet, gibt es nicht so viele Optionen für Nahrungsquellen. Hier wächst nichts und die Landtiere, die wir normalerweise zu Essen verarbeiten, können hier nicht überleben.
Außerdem können sich die Einheimischen nicht auf die Lebensmittellieferungen per Boot oder Helikopter verlassen – ein Frachtschiff kommt nur zweimal im Jahr und das Wetter macht es häufig tagelang unmöglich, die Stadt aus der Luft zu erreichen.
Diese Faktoren bewirken, dass die einheimische Bevölkerung in isolierten Siedlungen wie Qaanaaq darauf angewiesen ist, Tiere fürs Überleben zu jagen. Diese Ausübung der Jagd wird reguliert und es gibt strenge Quoten für die Narwaljagd in Grönland, die sicherstellen, dass die Narwalpopulation trotz der lokalen Jagdpraxis nicht gefährdet wird.
Fleisch lokal zu beziehen, ist deutlich nachhaltiger und umweltfreundlicher, da weniger Fleisch aus Übersee importiert werden muss – denn dabei wird sehr viel Kohlenstoffdioxid ausgestoßen.
Die Jagd ist in Grönland eine sehr spirituelle Tätigkeit und die Jäger glauben, dass Mutter Natur die endgültige Entscheidung darüber trifft, ob eine Jagd erfolgreich ist oder nicht. Die Jäger glauben daran, dass nur die Tiere gefangen werden, die bereit dafür sind, ihr Leben für das Wohlergehen der Menschen zu geben.
Die Jäger in Qaanaaq haben sich die traditionellen Jagdmethoden erhalten und nutzen dafür Kajaks und Harpunen. Leider nimmt die Zahl der Jäger ab, welche diese traditionellen Jagdweisen noch beherrschen. Einer unserer Guides, Aleqatsiaq, der Mitte 30 ist, bezeichnete die einheimischen Jäger über 50 und 60 als die ,letzte Generation echter Jäger in Qaanaaq’.
Die Jäger verluden ihre Kajaks auf das Boot und fingen sehr bald einige Lummen, ein schwarzweißer Vogel, der auf Grönländisch ,appa’ genannt wird. Wir kochten den frisch gefangenen Appa an Bord. Der Appa wurde gerupft und in einem Topf gekocht, wofür grönländisches Eis zusammen mit Reis und Nudeln angesetzt wurde. Die Appa-Suppe schmeckte großartig. Ich erinnere mich oft ganz lebendig an diesen Geschmack und werde dann daran erinnert, dass alles was man in der Natur isst, wenn es frisch bezogen wird, unvergesslich schmeckt.
Wie bei jeder Form der Jagd brauchen die Jäger auch bei der Narwaljagd ein bisschen Hilfe von Mutter Natur, um erfolgreich zu sein. Wenn sie sich auf die Narwaljagd hinausbegeben, müssen die Jäger sogar auf ihre Atmung achtgeben. Narwale sind sehr sensible Tiere – sie riechen extrem gut und können sogar den Schatten des sie jagenden Kajaks wahrnehmen.
Nach 27 Stunden auf dem Boot hatten wir immer noch keinen Erfolg dabei gehabt, einen Narwal zu fangen. An einem Punkt waren die Jäger nah genug, um einen Narwal zu harpunieren, aber es lief nicht perfekt und der Narwal konnte fliehen. Ich erinnere immer noch ganz deutlich das Geräusch, das der Narwal machte. Dieses Mal schafften wir es nicht, einen Narwal zu fangen. Trotzdem war ich sehr glücklich über die Gelegenheit, ruhig über den stillen Ozean zu treiben und Narwale live zu sehen – eine Erfahrung, die nur wenige Menschen während ihres Lebens genießen können.
Ich bin keine besonders aktive Person und wandere oder klettere nicht regelmäßig. Dafür liebe ich es aber, spazieren zu gehen und von Aussichtspunkten hinunterzuschauen. In Qaanaaq liegt hinter der Stadt ein kleiner Hügel, von dem aus man Aussicht über die ganze Stadt inklusive des Meeres hat, das sich über hunderte Kilometer weit erstreckt. Jeden Morgen war schon die Szenerie von meiner Unterkunft aus surreal schön. Aber vom Hügel hinter der Stadt über das gefrorene Meer in der Ferne zu schauen, während 24 Stunden Sonnenlicht über mir brannten, gab mir das Gefühl, gesegnet zu sein.
Wenn Sie in Richtung Süden der Stadt laufen (die entgegengesetzte Richtung zum Flughafen), finden Sie eine interessante Mischung vor. Da gibt es einen Fußballplatz und einen Friedhof, die direkt nebeneinander liegen. Friedhöfe werden in Grönland kaum als etwas Gruseliges angesehen. Weiße Kreuze werden mit bunten Blumen dekoriert und dies sieht ganz besonders im Winter wunderschön aus, wenn es mit dem weißen Schnee kontrastiert. Direkt neben dem Friedhof spielen Kinder Fußball. In meinem Land Korea würde das niemals passieren – Eltern würden es ihren Kindern nicht erlauben, direkt neben dem Friedhof Fußball zu spielen. Aber in Grönland ist alles ein wenig anders und wunderschön.
Nach einem Monat des Reisens im Norden bin ich schließlich nach Nuuk zurückgekehrt, wo ich lebe. Die Stadt sah ganz anders als vor meiner Abreise aus. Der Schnee auf den Straßen war weggeschmolzen und eine dunkelblaue Farbe besetzte den Nachthimmel – was bedeutete, dass die Nordlichter für eine Weile verschwunden blieben. Der Sommer begann.