Das Expeditionsschiff Søkongen verlässt Nuuk in Richtung Ilulissat
Diese Seite ist Teil unserer Serie „Unerkannte Persönlichkeiten der Entdeckungen“, die Beiträge von Inuit, Grönländerinnen und Grönländern zu Polarentdeckungen, Anthropologie, Naturwissenschaften und zur Erforschung des Klimas unseres Planeten ins Zentrum rückt.
Der grönländische Anthropologe Knud Rasmussen verließ Grönland 1921 auf seiner fünften und bei weitem ehrgeizigsten Thule-Expedition gemeinsam mit seinen beiden Crewmitgliedern, einer Frau namens Arnarulunguak und einem jungen Mann namens Qaavigarsuak. Sie wurde zu einer dreijährigen Hundeschlittenexpedition und führte durch die kanadische Arktis und Alaska bis nach Ostsibirien. Hier findet ihr einen Überblick über die Expedition, ihr Ziel, ihre Verdienste und die Teilnehmenden. Knud Rasmussen oder Kunuunnguaq, wie man ihn daheim in Grönland nannte, wurde in der ganzen Arktis zu einem sehr bekannten Mann. Er führte eine Reihe von Expeditionen an und schaffte es nachzuweisen, dass die Inuit Grönlands, Kanadas, Alaskas und Sibiriens gemeinsamer Herkunft sind. Auch wenn ihre Lebensweisen bezüglich der Lebensbedingungen, der wichtigsten Beutetiere und der Lebensart teilweise deutlich voneinander abweichen, sind sie durch Sprache, Mythologie und gemeinsame Geschichten alle miteinander verbunden. Diese Spuren lassen sich hunderte oder sogar tausende Jahre zurückverfolgen.
Eine historische Zeitlinie der Expeditionsereignisse
Die Fünfte Thule-Expedition startete im Sommer 1921 in Grönland und erstreckte sich über drei Jahre, bis Knud Rasmussen, Arnarulunguak und Qaavigarsuak 1924 die östliche Spitze von Sibirien erreichten. Folgend sind die wichtigsten Daten der Expedition gelistet.
9. Juli 1921
16. Juli 1921
Mayday von der MS Bele empfangen und Start der Rettungsaktion
16. Juli 1921
26. Juli 1921
Die Søkongen verlässt Thule
7. September 1921
Die Søkongen verlässt schließlich Nuuk in Grönland, nachdem die Besatzung von einer aggressiven Grippe befallen wurde, an der zwei Besatzungsmitglieder starben
7. September 1921
21. September 1921
Die Søkongen erreicht „Danske øen” (dt. die dänische Insel) in Nunavut, Kanada
24. September 1921
Die Søkongen lässt das Expeditionsteam von Bord und fährt zurück
24. September 1921
Der dänische König Christian X. war mit seinem königlichen Schiff „Island” in Grönland, um den 200. Jahrestag der Ankunft des norwegisch-dänischen Missionars Hans Egede in Grönland zu feiern. Am 16. Juli erreichte sein in Ilulissat liegendes Schiff ein „Mayday”, welches durch das erste Telegramm übersendet wurde, das jemals in diesem Teil Grönlands aufgegeben wurde. Die Bele war gestrandet. Gemeinsam mit Knud Rasmussens Schiff Søkongen setzten sie Kurs gen Norden, um die Besatzung und den noch verwertbaren Teil der Fracht zu retten.
Es zog sich dann bis zum 7. September 1921 hin, als das Expeditionsschiff schließlich die grönländische Hauptstadt Nuuk verlassen konnte, um in die Hudson Bay zu segeln und dann weiter zu ihrem ersten Ziel, einer kleinen Insel namens „Danske øen” (dt. die dänische Insel) im Foxe Basin in Nunavut, Kanada. Dort errichteten sie eine Basis namens „Blæsebelgen” (dt. der Blasebalg), von der aus die Teilnehmenden für verschiedene Expeditionen aufbrachen, nach Arbeitsschwerpunkten und Regionen untereinander aufgeteilt. Die dänischen Archäologen Kaj Birket-Smith und Therkel Mathiassen sollten verschiedene archäologische Fundstätten identifizieren und unterschiedliche Kulturen, Zeitperioden und Migrationsbewegungen kartieren. Sie stellten die Theorie für die so benannte Thule-Kultur auf: migrierende Walfänger, die um das Jahr 1250 herum nach Grönland übersetzten. Peter Freuchen konzentrierte sich auf Kartografie und Biologie, während Knud Rasmussen selber die intellektuellen Zeugnisse der in der Region lebenden Inuit ins Zentrum seiner Arbeit rückte und ihre Kultur, Traditionen und Mythologie aufzeichnete. In Ilulissat als Sohn eines dänischen Vaters und einer grönländischen Mutter geboren und in Dänemark ausgebildet, bewegte sich Knud Rasmussen gleichsam selbstverständlich in den Bräuchen des „weißen Mannes” und dessen wissenschaftlichen Methoden wie in den Sprachen und der Mythologie der Inuit, die er durch seine Mutter von klein auf kennengelernt hatte und damit vertraut war. Dieser Hintergrund rüstete ihn perfekte für die vor ihm liegende Aufgabe.
Im Herbst 1922 legte ein Schiff an, um die dänischen Wissenschaftler und ihre umfassende Sammlung an Proben mitzunehmen, während Knud Rasmussen gemeinsam mit Arnarulunguak und Qaavigarsuak, zwei Inuit aus Thule, die Expedition in Richtung Westen fortsetzte. Zwischen wenigen Tagen und bis zu 6 Monaten verbrachten sie mit jeder der Gemeinschaften, denen sie auf dem Weg begegneten. Dazu zählten fünf regionale Inuitkulturen in Kanada: die Iglulik, Netsilik, Caribou, Copper und McKenzie. Die Reise wurde immer weiter gen Westen fortgesetzt, bis sie im Frühjahr 1924 Nome in Alaska erreichten, einen der westlichsten Punkte auf dem nordamerikanischen Kontinent. Rasmussen und seine beiden Begleiter kreuzten dann die Beringstraße nach Ostsibirien, mussten dort aber umkehren, da sie keine gültigen Visa hatten und ihre Papiere nicht anerkannt wurden, um sich vor Ort welche ausstellen zu lassen. Nachdem sie diese höchst erfolgreiche und niemals zuvor versuchte Expedition beendet hatten, kehrten sie per Schiff nach Seattle zurück und reisten dann auf dem Landweg weiter nach New York, bevor es per Schiff zurück nach Dänemark ging, wo sie im Herbst 1924 ankamen.
Die Fünfte Thule-Expedition markiert sowohl für die Polarentdeckungen als auch die Anthropologie ein fundamentales Ereignis. Knud Rasmussen nahm Kontakt zu Inuit-Gemeinschaften auf, die noch niemals zuvor in Kontakt mit „dem weißen Mann” gewesen waren. In diesen Gemeinschaften waren die ursprüngliche Religion, die Bräuche und die Mythologie noch ganz lebendig und er schaffte es, diese aufzuzeichnen, bevor sie von äußeren Einflüssen verändert wurden. Die Expedition resultierte in zahlreichen Büchern und Dokumenten, zu denen eine zehnbändige Sammlung von Inuit-Legenden, tausende Fotos und ein Film zählen. Ihr Beitrag zum grundsätzlichen Verstehen der menschlichen Anpassungsfähigkeit an extreme Umgebungen, von Migrationsmustern und zur Erforschung der Herkunft der grönländischen Bevölkerung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch die Expedition zogen sich etliche Kuriositäten, wie etwas das Iglu, aus dem Knud italienische Arien entgegenschallten, abgespielt von einem Grammophon, welches der dort lebende Inuk kürzlich im Tausch für Häute und Pelze an einem Außenposten der Hudson Bay Company erworben hatte oder auch die Begegnung mit einem Mädchen aus Afrika, das er an der Tür eines anderen Iglus traf. Als er keine Munition mehr hatte und der Winter mit düsteren Aussichten fürs Überleben nahte, tauchte plötzlich ein kleines Segelboot aus San Francisco dort auf, wo vorher noch nie ein Boot gewesen war. An Bord war ein Däne, der bereit war, ihnen so viel Munition zu geben, wie sie benötigten.
Mehrere Museen widmen ihre Ausstellungen den großen Errungenschaften von Knud Rasmussen und seiner Mannschaft und viele der Amulette und Artefakte, die während der Expedition gesammelt wurden, können im Nationalmuseum in Kopenhagen besichtigt werden.